Entdeckerin der Omikron-Variante sollte schweigen

[Andreas Neider:] In einem aktuellen Interview mit der Tageszeitung DIE WELT erzählt die Entdeckerin der Omikron-Variante, Angelique Coetzee aus Südafrika, dass sie von mehreren europäischen Regierungen unter Druck gesetzt wurde, die Omikron-Variante nicht als harmloser darzustellen. Nachfolgend ein kurzer Auszug aus dem Interview, das hier (mit Bezahlschranke) in voller Länge nachzulesen ist.

 

WELT: Haben die Regierungen bei Omikron angesichts der niedrigeren Krankheitslast überreagiert?

 

Coetzee: Ich denke ja – sie haben definitiv überreagiert. Als wir darzulegen versuchten, dass es eine milde Erkrankung sei, sagten aufgrund der Anzahl von Mutationen alle, das stimme nicht. Die Leute wollten nicht glauben, dass es mild verlaufen kann. Man muss auf die Wissenschaft hören, aber man muss dabei das Krankheitsbild berücksichtigen, das die Ärzte beschreiben – das, was sie sehen, denn sie sind die erste Anlaufstelle. Und dann muss beides in Einklang gebracht werden. Sie müssen immer die Balance zwischen dem klinischen Bild und der Wissenschaft halten – das ist hier nicht passiert.

 

WELT: Es heißt, Sie wurden angehalten, Omikron als genauso schwerwiegend darzustellen wie die vorherigen Varianten. Stimmt das?

 

Coetzee: Mir wurde gesagt, ich solle öffentlich nicht erklären, dass es eine milde Erkrankung sei. Ich wurde gebeten, von derartigen Äußerungen Abstand zu nehmen und zu sagen, es sei eine ernste Erkrankung. Das habe ich abgelehnt.

 

WELT: Was bedeutet das?

 

Coetzee: Ich bin Klinikerin, und dem Krankheitsbild zufolge bestehen keine Anzeichen dafür, dass wir es mit einer sehr ernsten Erkrankung zu tun haben. Der Verlauf ist überwiegend mild. Ich sage nicht, dass man bei einem milden Verlauf nicht krank wird. Die Definition einer milden Covid-19-Erkrankung ist eindeutig, und das ist eine WHO-Definition: Patienten können zu Hause behandelt werden, und eine Versorgung mit Sauerstoff oder Hospitalisierung ist nicht erforderlich. Eine schwere Erkrankung ist eine, in deren Verlauf wir akute Lungen- und Atemwegsinfektionen sehen: Die Menschen brauchen Sauerstoff, vielleicht sogar eine künstliche Beatmung. Das haben wir bei Delta gesehen – aber nicht bei Omikron. Ich habe den Leuten also gesagt: „Ich kann das so nicht sagen, denn es ist nicht das, was wir sehen.“

 

WELT: Aus welchem Grund hat man verhindert, dass Sie die Wahrheit sagen?

 

Coetzee: Sie haben es versucht, aber sie haben es nicht geschafft. Was ich irgendwann einmal gesagt habe – weil ich es einfach leid war –, war: In Südafrika sei dies eine milde Erkrankung, aber in Europa sei es eine sehr ernste. Das war es ja, was Ihre Politiker hören wollten.

 

WELT: Woher kam dieser Druck?

 

Coetzee: Es ist doch nur eines wichtig: Ich habe mich geweigert. Man wird mich nicht zum Schweigen bringen. Ich hatte recht. Hätte ich unrecht, würde ich um Verzeihung bitten.

 

WELT: Kam der Druck von westlichen Regierungen oder südafrikanischen Behörden?

 

Coetzee: Nicht von südafrikanischen Behörden.

 

WELT: Also von Staaten der westlichen Welt?

 

Coetzee: Ich beteilige mich nicht an politischen Kämpfen. Aber ja, von einigen Ihrer (der europäischen, Anm. d. Red) Länder wurde ich kritisiert. In den Niederlanden, in Großbritannien fragten Wissenschaftler: „Wie können Sie erklären, dass es eine milde Erkrankung ist? Es ist eine schwere Erkrankung. Schauen Sie sich die Mutationen an.“ Meine Berichte haben sie aus der Spur gebracht. Dabei muss man sich in einer Pandemie nun mal auch ansehen, was an der Basis passiert. Bei den Hausärzten, die täglich Erkrankte behandeln, muss nachgefragt werden, was sie erleben, wie sich das Krankheitsbild darstellt.

 

WELT: Die Politik trifft also Entscheidungen, ohne auf die Mediziner zu hören, die an der Basis arbeiten?

 

Coetzee: Wie viele Ärzte, die wirklich nah an den Patienten dran sind, wurden bei Ihnen nach ihrer Meinung gefragt? Immer zählt die Meinung des Wissenschaftlers oder der Professorin, die nie mit einem Patienten in Berührung kommen. Niemand fragt, was an der Basis passiert.

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