Auseinandersetzungen um die Gleichbehandlung von Genesenen und Geimpften

 

[Andreas Neider:] Schon seit längerer Zeit fragen sich viele von der Corona-Erkrankung Genesene, warum ihr Genesenennachweis nur ein halbes Jahr lang gelten soll und sie daher gegenüber den Geimpften, deren Impfnachweis bisher jedenfall ein Jahr lang gültig bleibt, benachteiligt werden, obwohl ihre Immunität der Immunität von Geimpften mindestens ebenbürtig ist und der Genesenennachweis z.B. in der Schweiz. deshalb auch ein Jahr lang gültig bleibt.

 

Eine Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie

Am 30.09. 2021 veröffentlichte die "Gesellschaft für Virologie e.V.", die folgende Stellungnahme in der die Verlängerung der Immunität auf ein Jahr für alle Genesenen wissenschaftlich eindeutig begründet wird.

Zu den Autoren dieser Stellungnahme gehören unter anderem die beiden bekannten Vorstandsmitglieder dieser Gesellschaft, der STIKO Vorsitzende Prof. Thomas Mertens und der im Sachverständigenrat der Bundesregierung mitwirkende Prof. Hendrik Streeck.

 

"Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Immunantwort, die durch eine SARS-CoV-2 Infektion oder eine COVID-19 Impfung ausgelöst wird, und Beobachtungsstudien zur Häufigkeit von Zweitinfektionen mit SARS-CoV-2 erlauben eine Neubewertung der Dauer der Immunität nach durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion.

In den ersten Monaten der Pandemie wurde davon ausgegangen, dass eine durchgemachte Infektion mit SARS-CoV2 nur eine kurzlebige schützende Immunität nach sich zieht. Dies beruhte v.a. auf der Beobachtung, dass bestimmte Antikörper-Typen bereits wenige Monate nach der Infektion nicht mehr messbar waren. Diese Einschätzung ist jedoch mittlerweile überholt.

 

In einer Vielzahl von Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine SARS-CoV-2 Infektion beim Menschen zur Ausbildung immunologischer Gedächtniszellen führt, welche der eigentliche Schutzmechanismus des Immunsystems gegen eine erneute Erkrankung sind[1],[2],[3]. Sie sorgen z.B. dafür, dass bei erneutem Kontakt mit dem Erreger sehr schnell Antikörper hergestellt werden, die wesentlich wirksamer sind als die Antikörper, welche direkt nach der ersten Infektion vorhanden waren. So sind sie insbesondere in der Lage, Varianten von SARS-CoV-2 effizient zu neutralisieren. Dies konnte bei Genesenen gezeigt werden, die über eine Impfung erneut in Kontakt mit Teilen von SARS-CoV2 kamen[4],[5]. Selbst wenn die bei erneutem Virus-Kontakt noch vorhandenen Antikörperspiegel nicht ausreichend hoch sind, um eine Infektion mit SARS-CoV-2 komplett zu verhindern, kann die schnelle Gedächtnisantwort unseres Immunsystems zumindest dafür sorgen, dass schwere Krankheitsverläufe verhindert werden.

 

Mittlerweile liegen auch einige Beobachtungsstudien über den Schutz Genesener vor einer erneuten Infektion vor. Daten aus mehreren Ländern belegen, dass Menschen, die eine SARS-CoV-2 Infektion durchgemacht haben, gegen eine erneute Infektion oder Erkrankung sehr gut geschützt sind, und dass sich dieser Schutz auch auf Virusvarianten, inklusive der Delta-Variante, erstreckt[6],[7],[8],[9]. In den ersten sechs Monaten nach durchgemachter Infektion ist der Schutz vor erneuter SARS-CoV-2 Infektion mindestens so gut ausgeprägt wie der Schutz von vollständig Geimpften6,8. Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen, dass eine durchgemachte SARS-CoV-2 Infektion auch nach einem Jahr noch sehr gut vor Reinfektionen und schweren COVID-19 Krankheitsverläufen schützt8,9."

[Anmerkungen siehe unten]

 

Und ein Klage gegen die Ungleichbehandlung Genesener

Auf dieser Grundlage läuft mittlerweile nun eine Klage beim Verwaltungsgericht Darmstadt, mit der Prof. Werner Müller die Gleichbehandlung Genesener auf rechtlichem Wege erstreiten will.

Wir dokumentierten diese Klage hier in einigen Auszügen.

 

In seiner 20 Seiten umfassenden Klage mit mehreren ausführlichen Anhängen stellt Müller unter anderem fest, dass der Staat bei einer Ungleichbehandlung die Beweislast trägt, dass ein ungleicher Sachverhalt vorliegt, der ungleich behandelt werden darf.

 

Im Hinblick auf die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Impfungen verweist Müller unter anderem auf die mittlerweile korrigierten diesbezüglichen Aussagen des RKI:

"Auf der Website des Robert Koch-Instituts (RKI) fand sich unter dem Datum vom 02.11.2021 der Satz: „In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden.“ (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Transmission. html)

Am 27. August 2021 schrieb das RKI auf der gleichen Seite: „Weitere Daten belegen, dass selbst bei Menschen, die trotz Impfung PCR-positiv werden, die Viruslast signifikant reduziert wird.“ Noch am 1. November stand auf der Seite: „Aus Public-Health-Sicht erscheint durch die Impfung das Risiko einer Virusübertragung in dem Maß reduziert, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen.“ Dieser Satz war am 02.11.21 ersatzlos gestrichen. Das gilt auch für folgende Aussagen:
„Die Impfung hat eine hohe Schutzwirkung (mindestens 80%) gegen schweres COVID-19, unabhängig vom verwendeten Impfstoff (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, Spikevax von Moderna, Vaxzevria von AstraZeneca).“ sowie
„Die derzeitige Datenlage zeigt darüber hinaus, dass die Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff wie auch mit mRNA-Impfstoffen zu einer deutlichen Reduktion der SARS-CoV-2-Infektionen (symptomatisch + asymptomatisch) führt (Schutzwirkung etwa 80-90% nach der 2. Impfstoffdosis).“
Stattdessen steht dafür nun auf der Seite:
„Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Menschen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 trotz Impfung PCR-positiv werden und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden.“

 

Des weiteren liefert Müller dann auch die mittlerweile allgemein bekannte medizinische Erklärung für die Mängel der Impfstoffe im Hinblick auf die Übertragung des Virus und schreibt:

"Ein grundlegender Fehler bei der Entwicklung der Impfstoffe bestand darin, die funktionelle Unterscheidung zwischen den beiden Hauptkategorien von Antikörpern zu vernachlässigen, die der Körper produziert, um sich vor pathogenen Mikroben zu schützen:
• Die erste Kategorie (sekretorisches IgA) wird von Immunzellen (Lymphozyten) produziert, die sich direkt unter den Schleimhäuten der Atemwege und des Darms befinden. Die von diesen Lymphozyten produzierten Antikörper werden durch und an die Oberfläche der Schleimhäute sezerniert. Diese Antikörper sind somit vor Ort, um luftgetragenen Viren zu begegnen, und können möglicherweise die Virusbindung und die Infektion der Zellen verhindern.
• Die zweite Kategorie von Antikörpern (IgG und zirkulierendes IgA) kommt im Blutkreislauf vor. Diese Antikörper schützen die inneren Organe des Körpers vor Infektionserregern, die versuchen, sich über den Blutkreislauf zu verbreiten.
Impfstoffe, die in den Muskel – also das Körperinnere – injiziert werden, induzieren nur IgG und zirkulierendes IgA, nicht sekretorisches IgA. Solche Antikörper können und werden die Schleimhäute nicht wirksam vor einer Infektion durch SARSCoV-2 schützen. Somit bestätigen die beobachteten „Durchbruchsinfektionen“ bei Geimpften lediglich die grundlegenden Konstruktionsfehler der Impfstoffe. Die Messung von Antikörpern im Blut kann keine Aussage über den wahren Status der Immunität gegen Infektionen der Atemwege treffen."

 

Und mit Verweis auf die oben schon zitierte Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie führt Müller schließlich aus: "Die nachgewiesene Dauer des Schutzes nach durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion beträgt mindestens ein Jahr. Aus immunologischer Sicht ist von einer deutlich längeren Schutzdauer auszugehen, die auf Grund des begrenzten Beobachtungszeitraum aber noch nicht durch entsprechende Studien belegt ist. Auf Grund dieser aktuellen Erkenntnisse sollten Genesene bei Regelungen zur Pandemie-Bekämpfung (z.B. Testpflicht) den vollständig Geimpften zunächst für mindestens ein Jahr gleichgestellt werden."

 

Abschließend heißt es in der Begründung: "Nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG müssen gleiche Sachverhalte gleich behandelt werden. Nach den vorstehenden Erkenntnissen, beträgt die nachgewiesene Dauer des Schutzes ein Jahr, während bei einer Impfung schon nach 6 Monaten ein nachlassend des Schutzes beobachtet und für Risikogruppen eine Auffrischungsimpfung diskutiert wird. Daraus ergibt sich, dass die natürliche Immunisierung durch Ansteckung sogar besser sein dürfte als die künstliche durch eine Impfung. Dann ist aber die Ungleichbehandlung von Geimpften mit einer Befreiung von Schutzmaßnahmen für ein Jahr und Genesenen mit einer Befreiung für nur 6 Monate (faktisch nur 5 Monate ab Ausstellung der Bescheinigung) willkürlich und damit verfassungswidrig."

 

Damit ist die Geschichte jedoch noch nicht zu Ende!

 

Denn leider wurde die von Herrn Müller oben zititierte Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie bereits am 3. Dezember 2021 korrigiert und um folgende Aussage ergänzt:

"Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der aktualisierten Stellungnahme zur Immunität Genesener der GfV vom 30.9.2021 sprach die damalige Datenlage (s.u.) dafür, dass eine durchgemachte Infektion auch nach einem Jahr noch sehr gut vor Reinfektion und schweren Verläufen schützt. Eine für diese Schlussfolgerung gewichtige Arbeit von Gazit et al.1 aus Israel berichtete, dass Personen nach durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion einen besseren Schutz vor der Infektion mit der Delta-Variante aufweisen wie zweifach Geimpfte. Zum selben Ergebnis kommt eine weitere kürzlich veröffentliche Studie aus Frankreich2.

 

In der Zwischenzeit sind aber auch zwei weitere Artikel aus den USA veröffentlicht. Die eine kommt zu dem Schluss, dass eine durchgemachte SARS-CoV-2 Infektion bei18-Jährigen einen schlechteren Schutz vor Erkrankung vermittelt als eine zweimalige Impfung3. Die andere untersuchte65-Jährige und berichtet ebenfalls, dass die durchgemachte Infektion einen schlechteren Schutz vor Infektion, schwerer Erkrankung und Tod vermittelt als die vollständige Impfung4. Auf Grund dieser widersprüchlichen Datenlage kann gegenwärtig nicht sicher von einem ein Jahr anhaltenden Schutz Genesener ausgegangen werden. Unbestritten ist, dass die COVID-19 Impfung nach durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion zu einem starken Anstieg der antiviralen Immunantwort führt. Deshalb sollten sich bis zur weiteren Klärung der Sachlage Personen mit durchgemachter SARS-CoV-2 Infektion in der Regel 6 Monate nach durchgemachter Infektion gemäß der STIKO-Empfehlungen5 impfen lassen und auch die Empfehlungen zur Auffrischimpfung berücksichtigen.."

Möglicherweise gab es in der Gesellschaft für Virologie, der ja auch der STIKO Vorsitzende Thomas Mertens angehört, (auf deren Empfehlungen hier ja ausdrücklich verwiesen wird) Auseindersetzungen um diese Stellungnahme, die zu dieser Korrektur geführt haben.
Und damit hätte das Gericht wohl auch eine Möglichkeit, die Klage zu abzuweisen.

Hat Herr Müller das nicht bemerkt, als er seine Klage eingereicht hat?

 

Es bleibt abzuwarten, wie sich die wissenschaftliche Beweislage weiter entwicklen wird, bei der allein aufgrund der Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie mindestens vier Studien für einen Immunsschutz nach Infektion von mindestens einem Jahr ausgehen, während nur zwei Studien einen schwächern Schutz als die Impfungen nachzuweisen versuchen. 

Ob das Verwaltungsgericht Darmstadt diese wissenschaftliche Beweislage allerdings berücksichtigen wird, ist zu bezweifeln. 

 

Immerhin stellte Herr Müller zusätzlich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (= Eilantrag) zur vorläufigen Verlängerung des Genesenennachweises, weil bis zum Ablauf seines Genesenennachweises am 24.02.22 nicht mit einer Entscheidung in der Hauptsache zu rechnen ist. Über diesen Eilantrag hat das Gericht zeitnah mit einer summarischen Prüfung zu entscheiden.

 

Der vollständige Text der Klagebegründung kann hier eingesehen werden. Er enthält noch zahlreiche weitere Begründungen für die Gleichstellung Geneser und Geimpfter.

 

Anmerkungen zur Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie:

[1] Turner et al., doi.org/10.1038/s41586-021-03647-4

[2] Ogega et al., doi.org/10.1172/JCI145516

[3] Breton et al., doi.org/10.1084/jem.20202515

[4] Reynolds et al., doi: 10.1126/science.abh1282

[5] Stamatatos et al., doi 10.1126/science.abg9175

[6] Hall et al., doi: 10.1016/S0140-6736(21)00790-X

[7] Hansen et al.,doi: 10.1016/S0140-6736(21)00575-4

[8] Gazit et al., doi.org/10.1101/2021.08.24.21262415

[9] Vitale et al., doi:10.1001/jamainternmed.2021.2959

 

Anmerkungen zur Ergänzung der Stellungnahme:

1 Gazit et al., doi.org/10.1101/2021.08.24.21262415

2 Grant et al., doi.org/10.1016/j.lanepe.2021.100278

3 Bozio et al., doi: 10.15585/mmwr.mm7044e1

4 Young-Xu et al., doi.org/10.1101/2021.09.27.21264194

5 https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/48_21.pdf?__blob=publicationFile

 

Hier gibt es zahlreiche weitere Belege für die Immunität nach einer Infektion und ihre Überlegenheit gegenüber der durch Impfungen vermittelten Immunität.

 

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