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Protestschreiben von Prof. Michael Esfeld, Mitglied der Leopoldina

Michael Esfeld, Professor für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne und Mitglied der Leopoldina macht in einem kritischen Schreiben an den Präsidenten der Leopoldina darauf aufmerksam, dass die Lockdown Maßnahmen innerhalb der Wissenschaft keinesfalls unumstritten sind. 

Prof. Dr. Michael Esfeld

Professeur ordinaire de philosophie des sciences

Université de Lausanne, CH-1015 Lausanne

Mitglied der Leopoldinae

michael.esfeld@unil.ch

Lausanne, 8. Dezember 2020

 

An den Präsidenten der Leopoldina

 

 

Sehr geehrter Herr Kollege Haug,

 

Mit Bestürzung habe ich die heute veröffentlichte Stellungnahme der Leopoldina zur Kenntnis genommen, in der es heißt: „Trotz Aussicht auf einen baldigen Beginn der Impfkampagne ist es aus wissenschaftlicher Sicht unbedingt notwendig, die weiterhin deutlich zu hohe Anzahl  an Neuinfektionen durch einen harten Lockdown schnell und drastisch zu verringern.“

 

Diese Stellungnahme verletzt die Prinzipien wissenschaftlicher und ethischer Redlichkeit, auf denen eine Akademie wie die Leopoldina basiert. Es gibt in Bezug auf den Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die bestimmte politische Handlungsempfehlungen wie die eines Lockdowns rechtfertigen. Wir haben es mit der üblichen Situation einer wissenschaftlichen Kontroverse zu tun, in der verschiedene Standpunkte mit Gründen vertreten werden:

 

• Innerhalb des engeren Kreises der Experten von Virologie und Epidemiologie ist die Strategie zum Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus umstritten. Der Seite von Virologen und Epidemiologen, die scharfe politische Maßnahmen fordern, steht eine andere  Seite von Virologen und Epidemiologen gegenüber, die mit Gründen einen nur auf die Risikogruppen fokussierten Schutz empfehlen, ausgedrückt zum Beispiel in der von  führenden Medizinern verfassten Great Barrington Declaration.

 

• Im weiteren Kreis der Wissenschaftler ist höchst umstritten, ob der Nutzen scharfer politischer Maßnahmen wie ein Lockdown die dadurch verursachten Schäden aufwiegt – und zwar Schäden an zukünftigen Lebensjahren, die in Deutschland und anderen entwickelten Ländern infolge eines Lockdown verloren gehen, Todesfälle durch einen erneuten Anstieg der Armut in den Entwicklungsländern usw. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, gemäß denen die verlorenen Lebensjahren den maximal erreichbaren Nutzen geretteter Lebensjahre um ein Vielfaches übersteigen werden.

 

• Ethisch gibt es insbesondere in der auf Immanuel Kant zurückgehenden Tradition Gründe, grundlegende Freiheitsrechte und die Würde des Menschen auch in der gegenwärtigen Situation für unantastbar zu halten. Zur Würde des Menschen gehört dabei insbesondere die Freiheit, selbst entscheiden zu dürfen, was die jeweilige Person als ein für sie würdiges Leben erachtet und welche Risiken sie für diesen Lebensinhalt einzugehen bereit ist in der Gestaltung ihrer sozialen Kontakte.

 

In einer solchen Situation wissenschaftlicher und ethischer Kontroverse sollte die Leopoldina ihre Autorität nicht dazu verwenden, einseitige Stellungnahmen zu verfassen, die vorgeben, eine bestimmte politische Position wissenschaftlich zu untermauern. Ich möchte Sie daher  höflichst bitten, die entsprechende Stellungnahme umgehend als Stellungnahme der Leopoldina zurückzuziehen.

 

Hochachtungsvoll

Prof. Dr. Michael Esfeld

Lehrstuhl Wissenschaftsphilosophie

Universität Lausanne

 

Mitglied der Leopoldina seit 2010

 


 

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Kommentare: 10
  • #1

    Karl Weber (Dienstag, 15 Dezember 2020 09:59)

    Vielen, vielen Dank Herr Professor, für diese in der heutigen verlogenen Zeit leider so seltene, aber mutige Stellungnahme.
    Kar Weber

  • #2

    Jürgen Paul (Dienstag, 15 Dezember 2020 12:26)

    Vielen Dank an Prof. Esfeld und die Akanthos-Akademie für die Stellungnahme!
    Jürgen Paul

  • #3

    Udo Jaspers (Dienstag, 15 Dezember 2020 12:59)

    Sehr geehrter Herr Professor,

    ich danke Ihnen für die offenen Worte. Es gibt große Teile der Bevölkerung die durch die Politik, aufgrund der Stellungnahme, weiter verängstigt und irrgeleitet werden.

    Es wäre zu wünschen das Sie Herr Professor mit Ihrem Schreiben etwas bewirken und das es dann auch öffentlich wird. Der Lockdown zerstört so viel das man es nicht einfach als Kolateralschaden hinnehmen kann. Die Wirtschaft wird zerlegt, finanziell gibt es große Schäden.

    An erster Position sind es aber die Menschenrechte, Freiheit und Unversehrtheit von Körper und Seele jedes einzelnen Menschen.
    Durch die von der Politik genutzte Aussage unterstützen die Leopoldiner die Machenschaften und machen sich somit mitschuldig.

    Hochachtungsvoll
    Udo Jaspers

  • #4

    susanne Wüst (Dienstag, 15 Dezember 2020 15:28)

    Sehr geehrter Herr Esfeld
    Es ist gut zu wissen, dass es auch im Kreise der -politisch gehörten - Leopoldina diverse Auffassungen gibt und erfreulich, dass Sie diese auch öffentlich kundtun.
    ich bin sehr gespannt, ob Sie eine Antwort erhalten, wie sie lautet ,und ob Sie nun einen schwereren Stand im Kreise Ihrer Kollegen haben werden; vielleicht gibt es sogar noch Zuspruch von Einzelnen? Nichts ist schlimmer, als wenn kein offener Diskurs mehr stattfindet und sich die Politik einer passenden "Wahrheit" bedient.
    Ich freue mich, wenn Sie uns im Blog auf dem Laufenden halten.

  • #5

    Gaby Busch (Dienstag, 15 Dezember 2020 19:15)

    Ich kann nur feststellen, dass die Aussage „ Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, gemäß denen die verlorenen Lebensjahren den maximal erreichbaren Nutzen geretteter Lebensjahre um ein Vielfaches übersteigen werden.“ für sehr bedenklich ist und den Beitrag disqualifiziert.

  • #6

    Heinz Storch (Mittwoch, 23 Dezember 2020 19:42)

    @Gaby Busch: Sie "stellen fest" und geben keinerlei Gründe an. Die Kritik von Prof. Esfeld ist daher auch auf Sie anwendbar.

    @Prof. Esfeld: Vielen Dank.

  • #7

    Veit Große (Sonntag, 07 Februar 2021 20:14)

    Sehr geehrter Herr Esfeld,

    ich empfinde es als äußerst bedenklich, wie wissenschaftlich unsauber sie hier argumentieren. Mit der Aussage, dass einer Gruppe Personen/Wissenschaftler mit einer begründeten Haltung eine andere Gruppe mit einer anderen Haltung entgegensteht, ignorieren sie, dass es so etwas wie wissenschaftlichen Konsens gibt, oder viel mehr bestätigte wissenschaftliche Theorien. Die Erde ist nun mal rund, auch wenn es eine scheinbar wachsende Anzahl von Menschen und auch Wissenschaftler gibt, die das bezweifeln. Und so gibt es auch Mehrheiten und Konsens unter den Virologen, Epidemiologen und dem erweiterten wissenschaftlichen Kreis.
    Auch mit ihrem Argument, dass es zur Würde des Menschen gehört, die eigenen Risiken zu wählen, verfehlen sie den eigentlichen Grund hinter den Einschränkungen der Freiheiten. Es geht nämlich viel mehr darum, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und damit die anderen, die gesundheitlich Schwächeren zu schützen. Sie oder ich sind da nur ein Glied in der Ausbreitungskette, die es gilt zu unterbrechen. Deswegen liegt es in unserer Verantwortung, uns an die Einschränkungen zu halten, damit wir die nicht anstecken, die entschieden haben, dass sie nicht an CoVid-19 erkranken wollen. Denn es ist auch deren Menschenwürde, die wir als Gesellschaft schützen müssen.

  • #8

    Miguel Flechsig (Montag, 15 Februar 2021 13:14)

    Schon im dritten Reich gab es wenige mutige Menschen die gegen das Regime gesprochen haben.
    Wenn wir alle zusammenhalten werde wir auch diese Impf Diktatur hinter uns bringen.
    Wir werden immer mehr.
    Markus dein Endspiel läuft.

  • #9

    Christoph Reuther (Donnerstag, 11 März 2021 08:23)

    Sehr geehrter Herr Prof. Esfeld,

    ich habe einige Jahre in der Forschung und Lehre gearbeitet und habe schon da sehr schnell gemerkt, wie abhängig die "freie" Wissenschaft von ihren Geldgebern ist und wie schnell ein Urteil ganze Anträge vernichten kann, ohne substantielle Begründung. Leider scheint dieses Phänomen nicht nur auf kleine Wissenschaftsbereiche beschränkt. Ich empfinde es als beispiellos, wie schnell heute Wissenschaftler, Fachkräfte, etc. für ihre Meinung, teils sehr fundiert vorgetragen, diffamiert werden und mit welcher Leichtigkeit dies hingenommen, akzeptiert oder gar verteidigt wird. Die letzte Warnung der Wissenschaft? Seit wann kann Wissenschaft eine letzte Warnung aussprechen, ist sie doch dem Ringen um modellhafte Wahrheiten verpflichtet, nie aber der absoluten und nicht der Politik? Sie soll mahnen, ja, aber polemisch sein?
    Ich finde es gut, dass Sie diesen Brief formulieren und meine gleichzeitig, dass es Zeit wird, genau dies zu tun.
    Es geht bei einem so weitreichenden Thema nicht nur im die Meinung wissenschaftlicher Experten. Das greift mir persönlich zu kurz. Die Wissenschaft hat die Aufgabe, verschiedene Modelle zu erstellen und zu betrachten und diese der breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Das geht nur im Streitgespräch. Daraufhin muss die Bevölkerung entscheiden, wie sie das Zusammenleben gestalten will. Auch hier sehe ich kaum mehr eine wirklich objektive Möglichkeit dazu, da ein Jahr lang Angst Menschen psychologisch in eine Ecke drängt, egal wie diese aussieht. Wer soll dann noch frei entscheiden können? Müssen wir nicht erst auch Hoffnung wecken, die in mehr besteht, als einen meines Erachtens viel zu kurz getesteten „Impfstoff“ (so man gerade RNS-vermittelnde Substanzen als Impfstoff im klassischen Sinn bezeichnen möchte) zu verabreichen? Dürfen dazu Definitionen, wie die der Herdenimmunität umgeschrieben werden? Kurzum, muss hier nicht zunächst schonungslos aufgeklärt werden, weil man jedem mündigen Bürger jenes Wissen zutrauen muss? Oder wollen wir dann doch das chinesische Modell und unsere Wertenormen verlassen, weil es „schneller“ geht, so wie es einige Intellektuelle oder Tageszeitungen diskutieren?
    Demokratie bedeutet m. E. eben nicht, dass wir die Würde oder Gesundheit aller paternalistisch schützen müssen, sondern sie achten müssen. Dazwischen liegt ein riesiger Unterschied. Für das eine muss ich nicht nachfragen, sondern fremdbestimmt festlegen, dass andere erfordert Geduld, Aufklärung und eigene Meinungsbildung, aber auch eigene Verantwortung und Entscheidung. SARS-CoV2 ist, so wie ich es bei Ioannidis und der WHO nachlese, nicht das totbringende Ende für alle. Es muss in einen Kontext eingebettet werden, der solche Zahlen auch relativiert und verständlich macht.
    Aus diesen Gründen scheint mir jedweder Optimismus nach Einsicht und Scham bei derzeitigen Entscheidungsträgern gedämpft zu sein. Auf einige Versuche, regional politisch darauf aufmerksam zu machen oder ehemalige Kollegen auf diese Umstände hinzuweisen, habe ich bisher bestenfalls Standardantworten oder Ablehnung erfahren, zumeist noch nicht einmal das.
    Dennoch will ich hoffen, dass das Erkennen wachsen mag.

  • #10

    Christine Grämiger (Donnerstag, 11 März 2021 14:36)

    Wir werden und wir müssen es schaffen, diese Diktatur hinter uns zu bringen, für die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft, für die Erhaltung der Menschenrechte und zur Rettung unserer Demokratie. Inzwischen sind Unmengen von Fakten bekannt von nahmhaften Wissenschaftlern, die belegen, dass die Schäden durch Lockdowns die Schäden durch die sog. Covid-Pandemie bei Weitem übersteigen. Und dass hier niemand jetzt behauptet ich würde keine Gründe für meine Meinung bekanntgeben. Ich gebe sie bekannt inkl. aller Fakten, nachzulesen unter corona-ausschuss.de. Und wer sich jetzt hier äussern möchte, sollte vorgängig alle diese Berichte zur Kenntnis genommen haben.