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Fremdbestimmtes Heranwachsen in einer digitalisierten Welt - die Grünen verabschieden sich von gesunder, kindgerechter Bildung

[Christoph Hueck:]  Beim Thema Bildung reihen sich die Grünen bei den Digitalisierungsfetischisten ein. Es gilt jedoch: Je mehr Digitalisierung in der Kindheit, desto einfacher wird die Manipulierbarkeit im Erwachsenenalter.


Walter Lippmann, der amerikanische Publizist, Intellektuelle und Berater von Präsident Woodrow Wilson, hat in seinem berühmten Buch „Die öffentliche Meinung“ (1922) beschrieben, dass Menschen in einer modernen Demokratie durch öffentliche Meinungsbildung gelenkt werden müssen. Die öffentlichen Medien, so Lippmann, schaffen eine Pseudoumwelt in den Köpfen des Publikums, die durch mehr oder weniger gleichsinnige Berichterstattung erst konstruiert wird und mit der wahren Wirklichkeit keinesfalls übereinstimmen muss.

Das gilt heute noch viel mehr als zu Lippmanns Zeiten, denn die medialen Bilder, die uns fortwährend vermittelt werden, sind noch sehr viel wirksamer als Zeitungstexte und –fotos. Vor dem Bildschirm entsteht der Eindruck, dass die gezeigte Wirklichkeit die tatsächliche sei. Der Journalist Milosz Matuschek schreibt dazu: „Was man wahrnimmt, löst den psychologischen Effekt des „WYSIATI“ (What You See is All There is) aus, eine Art Wahrnehmungsverengung. Daraus entsteht die Illusion von Validität.“[1]

Die Grünen haben gestern ihr neues Grundsatzprogramm verabschiedet, das für die kommenden 10 bis 15 Jahre gelten soll. Es ist in weiten Teilen „mainstream“. Auch im Bildungskapitel reihen sie sich in den Chor der Digitalisierungsfetischisten ein: „Kitas und Schulen sind besonders wichtige Orte für das selbstbestimmte Heranwachsen in einer digitalen Welt. Bildungseinrichtungen müssen technisch so ausgestattet sein, dass alle Kinder die digitale Wirklichkeit erleben und sie mitgestalten können.“ Denn „die Kinder von heute werden die Gestalter*innen der Welt von morgen sein. Dafür brauchen sie das nötige Rüstzeug und einen kritischen Blick, mit dem sie technische Entwicklungen auch hinterfragen.“ Das hört sich prima an, ist aber leider grundfalsch.

Kinder sollen noch mehr, als sie es ohnehin schon tun, vor Bildschirmen sitzen. Man beobachte aber einmal, in welch tranceartigen Zustand sie vor einem Bildschirm verfallen. Ihre Aufmerksamkeit wird in die virtuelle Scheinwelt hineingesogen. Mit „Wirklichkeit“ hat diese Welt nichts zu tun, denn wirklich ist daran allein die elektronische Maschine.

Die Erfahrungen der körperlichen Wirklichkeit verschwinden vor dem flimmernden Bildschirm. Das Kind verliert die Eindrücke seines Tastsinnes, es spürt keinen Widerstand, an dem es seine Grenzen erleben und sich dadurch selbst finden kann. Es gibt keine wohlige oder unwohlige Lebenssinneserfahrung, die ihm ein Gefühl von „es ist gut, hier zu sein“ vermittelt. Es gibt kein freies Bewegungserlebnis, kein herrliches Gefühl von „ich kann’s“. Und es gibt auch kein Gleichgewichtserlebnis, aus dem die körperliche Grundlage für innere Aufrichtigkeit werden kann. Spielen im Sand und im Matsch, Klettern auf Bäume, Balancieren, Hüpfen, Springen, Schaukeln, Hunger haben, satt werden, vielfältige Gerüche und Geschmäcker, Kälte und Wärme erleben: Vor dem Bildschirm werden all diese Erfahrungen einfach abgeschaltet. Das Kind erlebt sich und die Welt nicht mehr.

Kinder brauchen die körperlichen Erfahrungen jedoch ganz besonders, denn sie helfen ihnen, sich selbst zu finden und ein gesundes Verhältnis zu sich und zur Welt zu entwickeln. Körperliche Erfahrungen geben Kindern ein fortwährendes Übungsfeld und Korrektiv für das, was wirklich und wirksam ist, und was nicht. Sie sind für das heranwachsende Kind der eigentliche Gradmesser für die Wirklichkeit der Welt und ihrer Gesetze.

Durch digitale Bildschirmmedien werden Kinder sich selbst entfremdet. Sie verlieren damit eine Grundlage für ihre spätere, sichere Urteilsfähigkeit. Denn was in der Kindheit an der materiellen Außenwelt erlebt wird, kann sich später in die innere Fähigkeit wandeln, Wirklichkeit und Täuschung, Wahrheit und Lüge schon rein gefühlsmäßig unterscheiden zu können.

Vor dem Bildschirm werden Kinder nicht mit der wahren Wirklichkeit konfrontiert, sondern im Gegenteil darauf dressiert, eine digitale Scheinwirklichkeit für bare Münze zu nehmen. Damit wachsen weitere Generationen heran, die durch Medien noch manipulierbarer sein werden, als wir es gegenwärtig schon sind. Die Grünen scheinen das nicht mehr zu wissen, oder nicht wissen zu wollen. Die meisten von ihnen sind ja selbst schon in der digitalen Welt aufgewachsen.

 


 

Sie können die Forderung nach Wahlfreiheit für die Bildschirmverwendung in Kitas und Grundschulen bei der Initiative ELIANT von Dr. Michaela Glöckler unterschreiben:  

https://eliant.eu/aktuelles/petition-2018-fuer-ein-recht-auf-bildschirmfreie-kitas-kindergaerten-und-grundschulen/#c15895

 

Zusätzliche, lesenswerte Infos beim Bündnis für humane Bildung: www.aufwach-s-en.de

 

Außerdem ein interessantes Interview mit Ralf Lankau in der FAZ:

https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/klassenzimmer/unterricht-der-zukunft-digitalisierung-an-schulen-laeuft-falsch-17001163.html

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Cornelis Bockemühl (Montag, 23 November 2020 16:40)

    Welch eine "Karriere"!

    In den 70-ern waren "Grüne" eine Bewegung, keine Partei. Sehr viele Menschen fanden sich zusammen aus unterschiedlichsten Motiven, aber alle in Sorge um die Welt, die wir am zerstören sind. Als sehr junger Mensch konnte ich mich damit identifizieren und viel darüber lernen, wie sich so eine "Bewegung" durch die Jahre entwickelt. In dieser Zeit war viel Herzblut da, aber nicht unbedingt die ganz grosse "Effizienz" im Grossen. Einige störte das weniger, andere wollten das aber verbessern, auf unterschiedlichen Wegen.

    Einer dieser Wege war derjenige in die Politik. Er war anfangs umstritten, aber er wurde beschritten. Die Partei wurde gegründet und hatte ihre eigene Geschichte, ihre Hochs und Tiefs. Die Logik war einfach: Wenn wir nicht nur einen kleinen "gesunden" Garten in einer zerstörten Umwelt pflegen wollen müssen wir grösser denken, ambitiöser werden den "Gang durch die Institutionen" wagen und letztlich nach Macht streben!

    So kann man dann nicht nur ein paar Naturschutzgebiete einrichten, sondern Umweltgesetze verabschieden, die auch für alle verbindlich sind - und das ist ja auch vielfach gelungen.

    Was diese Menschen aber leider scheinbar immer mehr verdrängen ist der eigene Ursprung. Die Jüngeren haben den natürlich auch nicht mehr mit erlebt. Am Ende hängt aber doch auch jetzt noch alles daran, dass die Menschen die Natur, die Welt und einander kennen und lieben! Dass sie eine Beziehung dazu haben, eine lebendige Beziehung, und dass sie etwas vermissen würden wenn da etwas verloren geht! Denn wenn diese Grundlage verloren geht sind auch die schönsten Gesetze bald wieder aufgehoben oder umgangen, denn Gesetze sind letztlich ja nur Verabredungen zwischen Menschen.

    Irgendwelche Zahlen, auch "ganz schlimme" haben da keine Bedeutung. Da sehe ich auch das Hauptproblem der ganzen Klimadebatte: Als Geologe verstehe ich genug über Erdentwicklung dass ich mir einbilde, das Reale an den aktuellen Klimaveränderungen zu sehen und die Tragweite auch ein gutes Stück zu verstehen. Dennoch verstehe ich auch alle Menschen, die von der Aussage "wir müssen das 2-Grad-Ziel unbedingt erreichen" in ihrem Herzen schlicht nicht berührt werden. Sie sehen dann vielleicht vor allem, wie sich da auch schon wieder wirtschaftliche Interessen an diese Agenda hängen, denen die Erde absolut kein Anliegen ist. Einfach alles voller Elektroautos statt Benzinautos sichert zwar satte Gewinne, aber es rettet unsere Erde nicht.

    Und so ist die Tragödie der Partei-Grünen für mich schlicht und einfach: Sie unterschätzen die Bedeutung des Menschen, des einzelnen Menschen, und dessen reale Lebensbeziehung zur Welt! Die Überschätzung der Bedeutung des "Digitalen" ist einfach die andere Seite dieser Medaille. Diese Beziehung ist aber letztlich ein seelisch-geistiger "Wert", der gepflegt sein will, und vielen Menschen fehlt da das nötige Wahrnehmungsorgan, die nötige Wachheit. Nicht nur bei den Grünen.

    Womit wir in meinen Augen wieder mitten im Kernthema der "Corona-Krise" wären.

  • #2

    Jürgen Paul (Dienstag, 24 November 2020 11:01)

    Was habe ich für einen Luftsprung gemacht, als die Grünen in die Parlamente eingezogen sind!
    Seit sie in den Jugoslawien-Krieg gezogen sind, befinden sie sich auf der Abwärtsspirale und sind seit dieser Zeit für mich nicht mehr diskutabel und glaubenswürdig.