Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Corona-Toten und der Strenge sowie dem Zeitpunkt der Lockdown-Maßnahmen in verschiedenen Ländern



[Christoph Hueck:]  Die Universität Oxford hat einen Index entwickelt, der die Strenge der Lockdown-Maßnahmen in einzelnen Ländern in einer Zahl zusammenfasst.[1] Der Index umfasst 9 Kategorien von Maßnahmen, die jeweils in ihrer Stringenz gewertet wurden. So wurden z.B. unter der Kategorie Schulschließungen keine Maßnahmen mit 0 Punkten bewertet, die Empfehlung, Schulen zu schließen mit 1 Punkt, das Schließen einiger Schulen (z.B. Gymnasien) mit 2 Punkten und das Schließen aller Schulen mit 3 Punkten. Weitere Kategorien des Index sind die Schließung von Arbeitsplätzen, das Verbot öffentlicher Veranstaltungen, Versammlungsbeschränkungen, Schließung öffentlicher Verkehrsmittel, öffentliche Informationskampagnen, häusliche Isolation, Einschränkungen der nationalen Bewegung, Einschränkung internationaler Reisen bzw. Grenzschließungen, Richtlinien für Corona-Tests und die Kontaktverfolgung. So ergibt sich ein Government-Response-Stringency-Index (GRSI), der für jedes Land im Lauf der Zeit unterschiedliche Werte annimmt und damit den Verlauf der Strenge des nationalen Lockdowns anzeigt.

In der Abbildung wurde der jeweils höchste Wert des GRSI (sofern er für mindestens 7 Tage aufrechterhalten wurde) mit der Anzahl der Covid-19-Todesfälle pro 1 Millionen Einwohner verschiedener Länder[2] (bis zum 17.6.2020) verglichen. Es ergibt sich keinerlei Zusammenhang zwischen den beiden Werten. Die Strenge der Lockdown-Maßnahmen hat nichts mit der relativen Häufigkeit von Todesfällen in den einzelnen Ländern zu tun.

Die zweite Abbildung zeigt für jedes Land die Corona-Todesfälle pro 1. Mio. Einwohner in Abhängigkeit von dem Datum, an dem mehr als 50% des GRSI erreicht wurden[1]. Auch hier ergibt sich kein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Lockdowns und der normierten Zahl der Todesfälle.

Die dritte Abbildung zeigt die zeitliche Verzögerung (in Tagen) zwischen dem ersten offiziell bestätigten Fall[3] und dem Erreichen von 50% der maximalen Lockdown-Strenge dieses Landes im Verhältnis zu der Anzahl der Todesfälle pro 1 Mio. Einwohner. Das in den Medien verbreitete Narrativ, dass Länder, die später reagiert hätten, stärker betroffen wären, lässt sich auf diese Weise nicht bestätigen. Man kann nicht erkennen, dass der Zeitpunkt des Lockdowns etwas mit der Rate der Todesfälle zu tun hätte.

Christoph Hueck

 

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[2] www.statista.com/statistics/1104709/coronavirus-deaths-worldwide-per-million-inhabitants/

[3] Individuelle Angaben für jedes Land von Wikipedia. Für das Vereinigte Königreich (UK), Frankreich und Brasilien liegen keine eindeutigen Angaben vor. 

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Kommentare: 20
  • #1

    Felix (Sonntag, 28 Juni 2020 20:42)

    Spannende Darstellung! Oft wird gesagt, dass die Schnelligkeit, mit der Maßnahmen ergriffen wurden entscheidender sei, als die Härte der Maßnahmen. Lässt sich darüber mit diesen Daten auch etwas aussagen?
    @Alfons: Mit Deinem Kommentar kann ich nichts anfangen. Was meinst Du konkret?

  • #2

    razman (Montag, 29 Juni 2020 12:53)

    Wird hier eigentlich alles sofort wieder gelöscht, was nicht der Linie des Autors folgt?

    Hier tauchen ja immer wieder kurz kritische Kommentare auf, die dann plötzlich wieder verschwunden sind...

  • #3

    Christoph Hueck (Montag, 29 Juni 2020 13:21)

    Hallo Herr "razman", ja, es werden rein polemische, persönliche Angriffe, Verunglimpfungen und Beschimpfungen baldmöglichst wieder gelöscht. Falls Sie sich in sachlicher Weise an der Diskussion beteiligen möchten, können Sie das gern tun. Für verbalen Unrat ist hier kein Ort.

  • #4

    Matthias Bideau (Dienstag, 30 Juni 2020 08:44)

    Der ärztlich-therapeutische Auftrag lautet zu heilen und nicht die Toten zu zählen. Es geht darum, die Lebenden zu schützen, was in der Graphik in Verbindung mit den Impfungen deutlicher zum Ausdruck kommt.

  • #5

    G-H (Mittwoch, 01 Juli 2020 11:11)

    Haben Sie vielleicht auch Mal überlegt, ob der Zusammenhang kausal gerade umgekehrt sein kann? Es ist ja sicherlich nicht komplett von der Hand zu weisen, dass gerade die Länder, die stark von Corona betroffen, sind auch stärkere Maßnahmen ergreifen?

  • #6

    Christoph Hueck (Mittwoch, 01 Juli 2020 11:29)

    Nein, es gibt eben KEINEN ersichtlichen Zusammenhang zwischen Lockdown-Strenge und Todeszahlen. Länder wie Finnland, Norwegen, Estland, Ungarn, Österreich, Slowenien, Serbien und Israel haben trotz sehr unterschiedlicher Lockdown-Werte ähnliche Todeszahlen, und Länder wie China, Korea, Tschechien, Polen, Mexiko, Portugal, Brasilien, Spanien, Belgien etc. haben trotz ähnlichem GRSI völlig unterschiedliche Todesfälle.

  • #7

    G-H (Mittwoch, 01 Juli 2020 12:25)

    Was genau meinen Sie mit "es gibt keinen ersichtlichen Zusammenhang"?

    Könnten Sie dazu Mal Ihre Hypothesen und Ergebnisse der Hypothesentests ergänzen?
    Insbesondere ist natürlich generell das Konfidenzniveau, das Sie verwendet haben, interessant.

    Wie obig schon erwähnt, wäre es sicher auch interessant, wenn Sie dann gleich noch die Hypothese "Länder mit vielen Fällen / Toten haben strenger Maßnahmen" (grob gesagt) überprüfen würden.

  • #8

    R.Maier (Mittwoch, 01 Juli 2020 12:31)

    Ich habe mir diesen Artikel und andere in diesem Blog angeschaut.

    Leider scheint es mir, als ob hier extrem fundamentale Kenntnisse zur Datenauswertung nicht vorhanden sind. Es tut mir leid, das so hart sagen zu müssen, aber so macht as doch überhaupt keinen Sinn.

    Man kann immer irgendwelche Daten suchen und irgendwelche Plots ("Trendlinien") durchziehen, das hat aber so gar nichts mit einer wissenschaftlichen oder auch nur im Ansatz sinnvollen und aussagekräftigen Datenauswertung zu tun.

    Grüße
    R.Maier

  • #9

    Christoph Hueck (Mittwoch, 01 Juli 2020 13:35)

    Hallo Herr Maier, Sie haben insofern Recht, als das bloße Aufzeigen von Trendlinien keine sinnvolle Datenauswertung darstellt. Die entsprechenden Abbildungen suggerieren eine Wissenschaftlichkeit, die damit nicht gegeben ist, ich nehme sie daher wieder aus dem Blog heraus. Grundsätzlich ist es natürlich berechtigt, Todeszahlen mit der Influenza-Impfhäufigkeit oder mit der Strenge der Lockdown-Maßnahmen in einen Zusammenhang zu stellen. Das bedeutet noch lange keine Kausalität, könnte aber ein Hinweis darauf sein.

  • #10

    Johann Stephan (Mittwoch, 01 Juli 2020 16:32)

    Wie hier schon angemerkt wurde: Da beide Parameter, sowohl die Todesrate als auch die Maßnahmenstrenge, kausal abhängig von einem dritten Parameter sind, nämlich dem Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme relativ zu einem objektiven Zeit-Parameter zur Beschreibung des Zeitpunktes der Ausbreitung in dem jeweiligen Land, haben die gezeigten Diagramme keinerlei Aussagekraft bezüglich der Hypothese, dass die Strenge der Maßnahmen keinen positiven Effekt auf die Entwicklung der Infektionszahlen und somit der Todesfälle hätte. Mal davon abgesehen, dass diese Hypothese sowieso jeder wissenschaftlichen Erkenntnis der vergangenen Jahrhunderte über die Verbreitung von entsprechenden Infektionskrankheiten widersprechen würde. Anschaulich: Italien hatte z.B. die Infektionen wochenlang nicht bemerkt und DAHER besonders viele Tote UND aufgrund der daher plötzlich sehr massiven Fallzahlen auch besonders scharfe Maßnahmen. Neuseeland hat ÄHNLICH scharf reagiert, aber sehr viel rechtzeitiger, und daher sehr NIEDRIGE Zahlen.

    Außerdem sind natürlich die Rahmenbedingungen in allen Ländern unterschiedlich: So hat es beispielsweise Island geschafft durch extrem massives Testen (in kürzester Zeit 10-15% der Gesamtbevölkerung) die Infektionssausbreitung einzudämmen - was in anderen Ländern aufgrund der Kapazitäten gar nicht möglich wäre. In Japan befolgen die Menschen sowieso schon immer viel strengere Hygiene-Maßnahmen: Atemschutz tragen in der Öffentlichkeit, viel Desinfizieren, kein Händeschütteln, kein Umarmen, sondern Abstand etc. Und die Bevölkerung ist dort auch sehr diszipliniert. Die skandinavischen Länder hatten den Vorteil, dass sie relativ weit von den Infektionsherden entfernt waren und dass z.b. Finnland und Schweden die niedrigsten Bevölkerungsdichten in der EU haben, was die Ausbreitung erschwert. In Schweden sind zudem die Mehrheit der Haushalte Singlehaushalte, was ebenfalls einen stark abschwächenden Effekt haben dürfte, da die Ansteckungsgefahr in Haushalten um ein Vielfaches höher ist. Trotz dieser günstigen Rahmenbedingungen hat Schweden gerade aufgrund der schwachen Maßnahmen mit die höchsten Sterbezahlen der Welt.

    Den Sinn des zweiten Diagramme verstehe ich noch weniger, da ja der Beginn der exponentiellen Ausbreitung in jedem Land zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt erfolgte. Sinnvoll wäre die relative Entwicklung der Fallzahlen (im Vergleich mit dem Stand vor den Maßnahmen) in Bezug zu setzen zum Zeitpunkt und zur Strenge der Massnahmen. Da ergibt sich gerade in den EU-Ländern wie in Deutschland ein sehr schlüssiger und eindeutig positiver Effekt der Massnahmen.

  • #11

    Christoph Hueck (Mittwoch, 01 Juli 2020 16:55)

    Hallo Herr Stephan, Ihre Kritik kann ich leider nicht bestätigen. Die oben eingefügte dritte Grafik zeigt für jedes Land die Verzögerung in Tagen zwischen dem Datum, an dem der erste Fall einer Sars-Cov-2-Infektion in diesem Land gemeldet wurde (Daten: Wikipedia) und dem Datum, an dem jeweils zum ersten Mal mehr als 50% der absoluten Lockdown-Strenge (Government Response Stringency Index) in diesem Land erreicht wurde. Anders formuliert: Die Grafik zeigt die Tage, die zwischen dem Bekanntwerden der Krankheit in diesem Land und der Hälfte der Lockdown-Strenge in diesem Land vergingen im Verhältnis zu den absoluten Covid-19-Todeszahlen pro 1 Mio. Einwohner. Man sieht keinen Zusammenhang: Länder mit 10-20 Tagen Verzögerung haben sehr unterschiedliche Todesraten, Länder mit sehr hohen Todesraten hatten sehr unterschiedliche Verzögerung.
    Außerdem möchte ich Sie bitten, zumindest bei weiteren Kommentaren Quellenangaben für die von Ihnen aufgestellten Behauptungen zu machen.

  • #12

    Mary (Mittwoch, 01 Juli 2020 18:40)

    Herr Stephan, das ist eine hervorragende Zusammenfassung, finde ich.

  • #13

    Johann Stephan (Mittwoch, 01 Juli 2020 18:44)

    1. Die dritte Grafik ist erst später hinzugekommen; auf diese hatte ich mich noch nicht bezogen. An meinen Argumenten gegen die ersten beiden Diagramme ändert das aber nichts.

    2. Auch die dritte Grafik ist problematisch. Denn der Zeitpunkt der ersten Infektion ist ja nicht der Zeitpunkt des Beginnes der exponentiellen Ausbreitung das Virus. So ist die erste Infektionswelle in Deutschland vom Januar in München noch komplett eingedämmt worden. Die exponentielle dauerhafte Ausbreitung begann erst Wochen später.

    3. In anderen Ländern wie Italien ist die exponentielle Ausbreitung erst bekannt geworden, nachdem es schon eine wochenlange Ausbreitung gab, da zu wenig getestet wurde. In anderen Ländern wiederum erfolgte dies deutlich zeitnaher.

    4. Da diese Effekte zu extrem massiven Verzerrungen führen und zudem nicht berücksichtigt wurden, ist die Aussage des dritten Diagramms in Richtung einer Nicht-Wirkung der Maßnahmen verzerrt. Trotzdem kann ich in diesem Diagramm erkennen, dass schnellere Maßnahmen zu weniger Toten führen. Insbesondere wenn man einige Sonderfälle, vor allem stärker isolierte Inselstaaten oder aufgrund ihrer Rahmenbedingungen und des politischen Systems nicht vergleichbare asiatische Staaten, rausrechnet, da z.b. in China die Todeszahlen offensichtlich manipuliert sind.

    5. Es ist eine in der Wissenschaft und in der Logik nicht hinterfragte Tatsache, dass Kontakt reduzierende Maßnahmen zur Abnahme von durch Kontakte übertragenen Infektionen führen. Das kann man auch an sämtlichen Studien zu führen Pandemien nachlesen. Sogar schon bei der Spanischen Grippe vor 100 Jahren konnten Regionen durch solche Maßnahmen die Infektionsausbreitung verlangsamen oder sogar eindämmen. Städte mit sehr scharfen Maßnahmen hatten sehr viel weniger Tote zu beklagen.

    6. Alle Daten, die ich genannt habe, kann man relativ einfach nachprüfen. Ich werde hier jetzt trotzdem mal eine Studie aus Science verlinken, in welcher berechnet wurde, dass die Stärke der Maßnahmen in Deutschland notwendig war, um die Infektionsausbreitung einzudämmen.
    https://science.sciencemag.org/content/early/2020/05/14/science.abb9789

  • #14

    Johann Stephan (Mittwoch, 01 Juli 2020 19:56)

    Und bevor jetzt meinen Kommentar wegen zu weniger Quellen gelöscht wird: Weitere Quellen habe ich bereits unter einem anderen Artikel auf dieser Seite genannt (Corona, ein Gedankenexperiment). Dort habe ich auch mit aktuellen wissenschaftlichen Studien belegt, dass die am aktuellen Coronavirus Verstorbenen oft noch eine lange Lebenserwartung gehabt hätten und dass die Sterberate in den Ländern und Regionen mit der aktuell besten Datenlage um die 2% liegt, also sehr viel höher als das hier auf dieser Seite zuletzt angenommen wurde. Siehe Kommentar 3 und 4:
    https://www.akanthos-akademie.de/2020/06/11/corona-ein-gedankenexperiment/

  • #15

    Christoph Hueck (Mittwoch, 01 Juli 2020 20:17)

    Hallo Herr Stephan, Ihre Argumente entsprechen dem offiziellen Narrativ. Aber finden Sie nicht, dass sich diese Argumente dann durch so eine einfache Analyse wie die hier vorgelegte bestätigen müssten? Die Ungenauigkeit der Daten gilt doch für alle Länder. Außerdem beruht Ihre Argumentation wie das offizielle Narrativ auf den Infektionszahlen, von denen wir inzwischen wissen, wie sehr sie von der Anzahl der Tests abhängen und wie ungenau sie möglicherweise sind. Die Stringenz und auch der Zeitpunkt des Lockdowns haben zwar nichts mit den absoluten Todeszahlen zu tun, aber sie könnten immerhin die Geschwindigkeit des Rückgangs der Welle beeinflusst haben, was aber noch genauer zu untersuchen wäre.

    P.S. Selbstverständlich wird Ihr Kommentar nicht gelöscht, das gilt nur für persönlich übergriffige Kommentare.

  • #16

    Johann Stephan (Freitag, 03 Juli 2020 02:57)

    1. Wenn ich mir die Daten ansehe, dann bestätigen sie genau meine Sichtweise. Ich sehe einen deutlichen Zusammenhang zwischen frühen Maßnahmen und weniger Toten. In der hier gezeigten Darstellung in Bild 3 (Bild 1+2 sagen wie beschrieben eigentlich gar nichts) sollte man aber die genannte massive Verzerrung korrigieren und die von mir genannten falsch eingeordneten bzw. verzerrten Punkte (siehe vorige Kommentare zu Deutschland, Italien, China, Japan, Südkorea, Australien etc.) entsprechend berichtigen bzw. herausnehmen. Sinnvoller wäre mMn die Länder zu kategorisieren und strukturell ähnliche zu vergleichen (z.B. die westeuropäischen Länder untereinander). Und als Maß sollte nicht ein relatives (50% der maximalen Einschränkungen des Landes) dienen, sondern am besten ein absolutes, nach dem die Infektionszahlen in der Regel zurückgehen.

    2. Da die hier gezeigte Darstellung (beruhend auf dem ersten Infektionsfall im Land) aber wie beschrieben ungeeignet ist, wäre tatsächlich eine Darstellung anhand der Sterbefälle aussagekräftiger. Da sieht man dann sehr schön, dass z.B. Italien erst massive landesweite Einschränkungen erlassen hat, als bereits über 600 Menschen gestorben waren. Deutschland hat dagegen bereits landesweit reagiert (16. März), als erst 17 Menschen gestorben waren. In beiden Ländern (wie auch in Frankreich, Spanien, Schweden, GB) ist nach grob 20 Tagen nach Verhängung der umfassendsten Einschränkungen (in D. ab dem 23. März) der Peak der täglichen Verstorbenen erreicht - was rein zufällig auch grob dem Intervall entspricht, nach dem ein Infizierter im Schnitt stirbt. Und ganz offensichtlich haben dadurch die spät reagierenden Länder insgesamt deutlich mehr Todesfälle (normiert): In Spanien und GB sind es wohl real 6-10x so viele wie bei uns. Man kann also nicht sagen, dass die Zahlen sowieso bei einem bestimmten Wert zurückgehen (dazu unten mehr). Fazit: Früh reagierende Länder wie Deutschland, Griechenland, Ungarn, Österreich etc. stehen deutlich besser da als Länder, die bezogen auf den objektiven Stand der Infektionsausbreitung später reagierten (Ital, Spa, Fra, GB; man beachte die exponentielle Entwicklung vor den Maßnahmen). Auch das zu schwache Reagieren z.B. in Schweden hat einen dramatischen Effekt, nämlich (normiert) fast 12x so viele Todesfälle wie der vergleichbare Nachbar Norwegen.

    3. Natürlich gibt es in jedem Land massive Verzerrungen, die eine solche Darstellung erschweren: D. und Italien haben schon Wochen vorher einen lokalen Lockdown veranlasst sowie ebenfalls vorher Massenveranstaltungen verboten; zudem war der Lockdown in jedem Land unterschiedlich stark und die Dunkelziffer auch bei den Todesfällen ist in Ländern wie GB oder Italien mit wenig Tests sehr viel höher. Ebenfalls gibt es einen unterschiedlichen und auch schwankenden Meldeverzug sowohl bei den Infizierten-, als auch bei den Todeszahlen. Außerdem haben natürlich Länder (in Mittel- und Südwesteuropa) einen Nachteil, die sehr dicht an Coronahochburgen liegen und zudem einen hohen Austausch mit diesen Ländern haben. Daher wird ein Diagramm auch niemals eine perfekte Linie zeigen. Aber: Ganz eindeutig ist es ausschließlich der Zeitpunkt stringenter Maßnahmen, der zu einer (entsprechend verzögerten) Abnahme der Todesfälle führt.

    4. Die Verzerrung durch die Zunahme an Tests ist nicht so gravierend (wie man auch an dem Vergleich mit den Sterbezahlen sieht). Zum einen erfolgt die Zunahme an Tests meist gleichzeitig mit der Zunahme an Infektionen, wodurch sich bis zum Peak der Positiv-Anteil nicht dramatisch ändert (nach dem Peak verläuft die wahre Kurve dann natürlich etwas niedriger), zum anderen ist die Änderung meist relativ kontinuierlich und nicht gravierend sprunghaft.

    5. Der heute weltweit verwendete Standard-PCR-Test hat bei korrekter Durchführung eine Sensitivität in Richtung 100% (wenn die Probe Virenmaterial aufweist, was bei falscher Probennahme oder sehr spätem/sehr frühem Testen nicht immer der Fall ist). Bei umfangreichen Tests mit anderen beim Menschen vorkommenden Viren (auch Coronaviren) sind zudem keine Kreuzreaktionen gefunden worden (s. Quelle 1). Es hat auch in vielen Ländern und Regionen trotz vieler Tests keine falsch-positiven Ergebnisse gegeben (siehe Neuseeland: 4 Wochen Coronafrei, ebenso wie neulich eine ganze Woche 158 der 412 Landkreise in D. (Quelle 2)). Das Problem ist höchstens die hohe Sensitivität: So könnte es sein, dass es in Gebieten mit hoher Inzidenz auch mal zu Probenkontaminationen kommen kann (zB. durch Viren-RNA-Übertragung durch kleinste Aerosole; auch die besten Schutzmasken bieten keinen 100%igen Schutz). In der jetzigen Situation ist aber möglichst umfangreiches Testen absolut sinnvoll (auch wenn Herr Spahn das noch nicht ganz verstanden hat und es zB. auch bei Correctiv unvollständig beschrieben ist).

    Quellen hänge ich im nächsten Kommentar an.

  • #17

    Johann Stephan (Freitag, 03 Juli 2020 03:02)

    6. Es gibt auch keinen Grund, anzunehmen, dass die Infektionszahlen ohne Maßnahmen einfach so wieder zurückgehen. Denn, dass äußere Faktoren wie das Wetter keine entscheidende Rolle spielen, das wurde längst gezeigt. Und ansonsten gibt es ohne Verhaltensänderungen (durch Maßnahmen) genau einen Grund für einen Rückgang: Nämlich eine ausreichend weit verbreitete Immunität (also Herdenimmunität) in der Bevölkerung. Wie viele Menschen sich insgesamt infizieren müssen, bis eine Herdenimmunität besteht, folgt direkt aus der Basisreproduktionszahl R0, die in Deutschland nach verschiedenen Berechnungen (RKI, MPI) bei etwa 3,4 liegt. Herdenimmunität ist erreicht, wenn ein Anteil von 1-1/R0 der Bevölkerung immun ist (durch Infektion oder Impfung), das wären bezogen auf Deutschland (ohne Maßnahmen) knapp 71% der Bevölkerung bzw. knapp 60 Mio. Menschen. Man weiß inzwischen auch, dass kein relevanter Teil der Bevölkerung bereits vor dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland eine echte Immunität gegen das neue Coronavirus hatte, da sich ja bereits in vielen isolierten Populationen nicht nur die genannten 70%, sondern sogar 80%-90% der Menschen infiziert haben (in der Schweinefleischverarbeitung bei Tönnies waren es über 2/3, in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften, Gefängnissen etc. über 80%, bei einer Chorprobe sogar fast 90%; weitere Beispiele bei den Quellen (s.u.)). Es könnte höchstens sein, dass es bei einer Minderheit eine leichte Kreuzreaktion des Immunsystems gibt, welche erklären könnte, dass von den Infizierten nicht alle schwer erkranken, aber das ist keine echte Immunität und ändert auch nichts an dem notwendigen Durchseuchungsgrad für die Herdenimmunität, da diese Menschen trotzdem infektiös sind. Ihr Anteil (egal wie hoch) ist in der Sterberate (IFR) bereits eingepreist (warum diese höher ist als in verschiedenen leider oft genannten Studien, hatte ich bereits unter dem genannten anderen Artikel dargelegt).

    Beispiele sehr hoher Durchseuchungsraten:
    87% (53 von 61) Infizierte, 2 Gestorbene nach einer Chorprobe; 75% Infizierte (60 von 80) bei einer anderen Chorprobe:
    https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/sw/COVID-19?s=&p=1&n=1&nid=112861
    80% Infizierte im Gefängnis:
    https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/dramatischer-ausbruch-in-us-haftanstalt-fast-80-prozent-der-haeftlinge-eines-gefaengnisses-infiziert/25758512.html
    75% Infizierte, davon über 20% Gestorbene im Pflegeheim:
    https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.kreis-karlsruhe-in-brettener-altenheim-drei-viertel-der-bewohner-mit-corona-infiziert.f244f6d1-399a-4ac4-8b77-18895eb634a3.html

    7. Ob "das offizielle Narrativ" jetzt meiner Darstellung entspricht, ist für meine Argumentation völlig irrelevant. Ich bewerte in der Regel schlicht mit wissenschaftlich-logischem Denken und Unvoreingenommenheit direkt Primärquellen. Dabei kam ich zuletzt häufiger zu Schlussfolgerungen, die dem "offiziellen Narrativ" widersprechen: So habe ich bereits Ende Januar eine relevante Übertragung durch symptomlose Infizierte für wahrscheinlich und den Nutzen von Einreisebeschränkungen und dem Maskentragen für erwiesen gehalten. Ebenso habe ich früh möglichst umfangreiches Testen und auch Obduktionen befürwortet. All das gegen das "offizielle Narrativ" von Politik, RKI und WHO. Dass all diese Akteure inzwischen ihre Meinung der wissenschaftlichen Erkenntnis angepasst haben und mir jetzt zustimmen, spricht zumindest dafür, dass es dort einen wissenschaftlichen Lernprozess gibt, in welchem falsche Sichtweisen auch wieder abgelegt werden.

    Quellen vom vorherigen Kommentar:
    (1) https://www.eurosurveillance.org/content/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.3.2000045#html_fulltext
    (2) https://www.rnd.de/gesundheit/corona-infektionsrate-laut-rki-in-schleswig-holstein-am-niedrigsten-3T4UC5YZX5RZIZAT4723TOCGXI.html

  • #18

    Christoph Hueck (Samstag, 04 Juli 2020 12:56)

    Liebe Leserinnen und Leser,
    Ihre Kommentare zu unseren Blog-Beiträgen werden von uns vor der Veröffentlichung redigiert. Wir veröffentlichen selbstverständlich auch kritische Beiträge, falls sie keine persönlichen Angriffe enthalten. Außerdem behalten wir uns vor, solche Beiträge eventuell nicht zu veröffentlichen, die offensichtlich unsinnige Behauptungen, Kritiken oder auch rein formale Kritik üben (also wie z.B. die Frage "Warum löschen Sie Ihren Beitrag nicht?").
    Außerdem bitten wir Sie aus Gründen der Fairness und Transparenz darum, dass Sie zu Ihren Beiträgen Ihren vollen Namen angeben.

  • #19

    Christoph Hueck (Samstag, 04 Juli 2020)

    P.S. Falls Sie Fragen zu einer Nicht-Veröffentlichung Ihres Beitrags haben, dann geben Sie dazu bitte Ihre E-Mail Adresse an, damit wir Ihnen antworten können.

  • #20

    Frederick Guntersheim (Montag, 06 Juli 2020 12:15)

    So ist eine sachliche Diskussion möglich, vielen Dank! @ Johann Stephan, haben Sie an anderer Stelle auch zu Corona etwas geschrieben, wenn ja: kann man das nachlesen?