Corona - "Ich weiß, dass ich nichts weiß!"

[Andreas Neider:]  Dieser Ausspruch des Sokrates, der aus seiner Verteidigungsrede vor dem Areopag, der ihn  zum Tode verurteil hatte, stammt, hatte folgenden Hintergrund: Sokrates war vom Orakel von Delphi als der weiseste aller Männer erklärt worden. Daraufhin fragte er sich, ob das sein könne und befragte zahlreiche weise Männer mit dem Ergebnis:

„Beim Weggehen aber sagte ich zu mir: ‚Verglichen mit diesem Menschen bin ich doch weiser. Wahrscheinlich weiß ja keiner von uns beiden etwas Rechtes; aber dieser glaubt, etwas zu wissen, obwohl er es nicht weiß; ich dagegen weiß zwar auch nichts, glaube aber auch nicht, etwas zu wissen. Um diesen kleinen Unterschied bin ich also offenbar weiser, dass ich eben das, was ich nicht weiß, auch nicht zu wissen glaube.‘“[1]

Die heutige Wissenschaft, insbesondere die Virologen, auf deren Anweisungen hin heute praktisch weltweit die verantwortlichen Politiker die von ihnen regierten Staaten zugrunde richten, befinden sich genau in dieser Situation der von Sokrates Befragten. Und eigentlich wissen sie genau, dass sie nichts wissen. Da aber von ihnen erwartet wird, dass sie etwas wissen, verbreiten sie Zahlenmodelle, die auf Rechenspielen beruhen und begründen daraus die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen des globalen Shutdown.

Diese Maßnahmen aber sind letztlich nur der Ausdruck dessen, was Joseph Weizenbaum bereits 1976 vorhergesagt hat, dass nämlich die Menschen die Macht ihres Geistes, die Vernunft, immer mehr an die Computer verlieren werden, um schließlich ganz von ihnen beherrscht zu werden.[2]

Das einzige Mittel der sich auf Sinneserkenntnis stützenden Naturwissenschaft, solchen fatalen, zum großen Teil auf Nichtwissen basierenden Rechenmodellen zu entgehen,[3] ist eine auf Evidenz beruhende Erkenntnis. Warum also haben sich nicht sofort nach dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland Teams von Virologen auf den Weg nach Taiwan oder Korea gemacht, um dort im Detail nachzuverfolgen, wie es gelingen kann, in zwei China so nahe gelegenen Staaten die Pandemie ohne Shutdown und ohne eine große Anzahl von Todesopfern zu bewältigen?

Herr Drosten studiert zwar internationale Studien. Hat er dabei aber eine sehr wichtige WHO-Studie von 2019 übersehen, die kaum Belege für die Wirksamkeit der gegenwärtigen Shutdown-Maßnahmen findet?[4]

Als die erste PISA-Studie in Deutschland katastrophale Ergebnisse über den Wissenstand deutscher Schüler erbracht hatte und man feststellen musste, dass finnische Schüler deutlich besser abgeschnitten hatten, entsandten deutsche Bildungspolitiker ganze Kohorten von Fachleuten nach Finnland, um vor Ort zu studieren, was die Finnen in ihren Schulen so anders machen.

Im Falle von COVID-19 jedoch halten die Virologen und Epidemiologen krampfhaft an ihrem Nichtwissen fest und treiben damit die Politiker mit ihren Angst verbreitenden Botschaften weiter vor sich her. Damit aber fällt die Naturwissenschaft und mit ihr die Politik weltweit in einen vorneuzeitlichen Status zurück, indem der Glaube höher angesiedelt wurde als das Wissen, und in dem ein Mann wie Galilei unter Androhung der Todesstrafe zwar seinen Glauben, aber nicht seine auf sinnlicher Evidenz beruhenden Erkenntnisse vertreten durfte.

Und unglücklicherweise erscheint dieser Glaube wie magisch, sodass auch die öffentliche Meinung sich in den Sog des Nichtwissens und des Glaubens hat hineinziehen lassen. Nur sehr wenige Medien versuchen weiterhin, auf tatsächlicher Evidenz beruhende Fakten zu berücksichtigen. Derer gibt es aber aufgrund des Tunnelblicks der Virologen leider nur sehr wenige. Und obendrein versuchen diese Virologen, eben solche Fakten, wie zum Beispiel die Heinsberg-Studie von Prof. Streeck, mit fadenscheinigen Argumenten vom Tisch zu wischen, so als ob der Glaube und das Nichtwissen tatsächlich eine magische Kraft hätten.

Sokrates wurde am Ende dafür, dass er das Nichtwissen seiner Zeitgenossen schonungslos aufgedeckte, zum Tode verurteilt. Den wenigen, die heute ähnlich wie Sokrates das Nämliche tun, scheint es bislang kaum anders zu ergehen.

Andreas Neider

 

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[1] Platon, Apologie, 21d-22a

[2] Joseph Weizenbaum, Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft, Frankfurt M. 1978.

[3] Das Beispiel des Leiters des Imperial College of London, Neal Ferguson, spricht hierfür Bände. Seine fehlerhaften Modellberechnungen bei der sogenannten Schweingrippe 2009 kosteten Großbritannien mehrere Milliarden Dollar, um die anschließend nicht benötigten Impfstoffe zu beschaffen. Bei einem der Hersteller dieser Impfstoffe war Ferguson zuvor beschäftigt gewesen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Nikolaus Heidorn (Dienstag, 28 April 2020 19:50)

    Liebe Andreas Neider
    mich stört an der ganzen Diskussion über Corona dass hier immer nur die Probleme und Gefahren betrachtet werden aber nirgendwo werden die Chancen gesehen. Die Chancen bestehen doch gerade darin, dass wir uns jetzt alle mit uns selber beschäftigen müssen. Dass wir alleine sind. Dass wir uns selber hinein schauen müssen. Dass wir mit unseren eigenen Problemen fertig werden müssen. Das ist doch eigentlich genau der Aufruf des Orakels von Delphi: erkenne dich selbst. Denn die ganze Diskussion bei Corona geht leider Gottes immer nur um die Kranken, und nicht um die gesunden die für die Kranken in die selbst Isolationen gehen Punkt und die gesunden die auf den Kontakt zu ihren Mitmenschen verzichten, die können sich wirklich sehr viel weiterentwickeln. Aber für diesen Aspekt nimmt die Anthroposophie keine Stellung. Das hat mich auch im letzten götheanum fürchterlich geärgert. Schöne Grüße aus Witten wünsch Nikolaus Heidorn

  • #2

    Andreas Neider (Mittwoch, 29 April 2020 09:21)

    Lieber Nikolaus,
    Du hast vollkommen Recht, die Möglichkeiten, die uns die durch die Corona-Krise herausgeforderte Selbsterkenntnis bietet, haben wir hier bisher nicht berührt.
    Das hängt in meinem Falle vor allem damit zusammen, dass ich diese Aspekte in dem gemeinsam mit Michaela Glöckler und Hartmut Ram geschriebenen Buch "Cororna- eine Krise und ihre Bewältigung", das ab 4. Mai im Buchhandel erhältlich sein wird, sehr ausführlich behandelt habe, auch mit konkreten Vorschlägen, wie wir die Erkrankung unseres Bewusstseins wieder heilen können.
    Ich werde in Zukunft auch auf diese Aspekte in unserem Blog aufmerksam machen.